Pädagogische Fachkräfte müssen mit der digitalen Welt vertraut sein, um Kinder und Jugendliche in ihrem Lebensalltag zu erreichen und sexualisierter Gewalt im Netz vorbeugen zu können. Aus diesem Grund standen Fortbildungen im Mittelpunkt eines Präventionsprojekts, das Eda Kanber vom Kinderschutzbund Landesverband NRW 2024 koordinierte. Finanziert wurde es aus den Fördermaßnahmen zur Unterstützung von Prävention und Nachsorge sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche des Landes Nordrhein-Westfalen.
Kinder und Jugendliche wurden im Projekt gemeinsam mit den jeweiligen pädagogischen Fachkräften (und bei Bedarf gemeinsam mit der Projektverantwortlichen) an verschiedene Inhalte zur Medienkompetenz herangeführt. Beteiligt waren die Ortsverbände Dinslaken, Essen, Ennepetal Remscheid und Mülheim des Kinderschutzbundes. Dazu ein Interview mit Eda Kanber, Fachberaterin für Medienkompetenz beim Kinderschutzbund Landesverband NRW.
Was kann für Kinder und Jugendliche im Netz gefährlich werden, wenn es um sexualisierte Gewalt geht?
Eda Kanber: Das Internet ist ein anonymes Medium – und das ist in diesem Zusammenhang ein großes Problem. Niemand weiß genau, wer tatsächlich sein oder ihr Gegenüber ist, mit dem man online in Kontakt ist. Das macht es Täterinnen und Tätern leicht. Sie versuchen, anonym oder mit falscher Identität in Kontakt zu Kindern und Jugendlichen zu kommen und sie zu sexuellen Handlungen im Internet oder der analogen Welt zu bewegen.
Wie können Erwachsene junge Menschen denn vor sexueller Gewalt im Netz schützen?
Eda Kanber: Wichtig ist es, ihnen eine gesunde Portion Vorsicht zu vermitteln. Kinder und Jugendliche sollten grundsätzlich nur Kontakte von Menschen annehmen, die sie in der analogen Welt kennen, und es sollte auch ein übersichtlicher Kreis bleiben. Außerdem sollten sie die Strategien von Täterinnen und Tätern kennen. Diese docken an vermeintlich gemeinsamen Interessen an. Wenn ein Kind oder Teenager zum Beispiel Fan von Taylor Swift ist, dann nutzen Täter und Täterinnen dieses Wissen für sich und versuchen, darüber mit den jungen Menschen im Netz ins Gespräch zu kommen. Wir raten grundsätzlich, im Internet nur so wenig Informationen wie möglich über sich preiszugeben und niemandem zu vertrauen, den man nicht persönlich kennt. Und junge Menschen müssen wissen: Auch wenn ich etwas Unangenehmes oder Übergriffiges im Netz erlebe, muss ich das nicht für mich behalten. Es ist richtig und wichtig, sich Erwachsenen anzuvertrauen – den Eltern, Lehrkräften, Schulsozialarbeiter*innen oder Freunden und Bekannten – und sich Hilfe zu holen.
Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Fachkräfte in den Orts- und Kreisverbänden des Kinderschutzbundes?
Eda Kanber: Kinder und Jugendliche brauchen in den Orts- und Kreisverbänden geschützte Räume, um darüber zu sprechen, was sie im Internet erleben, auch wenn es unangenehm ist. Hierbei sind präventive Angebote wichtig, es muss aber auch das Wissen vorhanden sein, intervenierend handeln zu können, wenn es zu sexuellen Grenzverletzungen im Internet gekommen ist.
Was haben die Fachkräfte denn konkret in den Schulungen gelernt?
Eda Kanber: Das Besondere an diesem Projekt ist, dass es passgenau und bedarfsorientiert ist. Ich bin in die fünf Ortsverbände gegangen und wir haben geschaut: Wo steht das Team? Welche Ressourcen und Kompetenzen haben wir? Wo sind Wissenslücken? Und wo müssen wir uns viel besser positionieren? Jeder Ortsverband hatte andere Schwerpunkte und andere Fragestellungen. Davon war abhängig: Welche Schulungen brauchen wir? Mit welchen Materialien können wir arbeiten? Was brauchen die Kinder in den jeweiligen Einrichtungen? Welche Erfahrungen haben sie im Internet gemacht und was ist nötig, um sie zu schützen?
Wie sah die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen aus?
Eda Kanber: Es ging auch ganz praktisch darum, auf den Plattformen wie Instagram oder TikTok zu arbeiten und zu schauen, wie man es schafft, möglichst wenig von sich preiszugeben oder auch Kontakte zu blocken. Grundsätzlich liegt es leider nicht im Interesse der Plattformen, Kinder und Jugendliche zu schützen. Darum müssen sie selbst darauf achten und vor allem die Erwachsenen in ihrem Umfeld. Kinder und Jugendliche sollten kritisch mit den Medien umgehen – und das hat sehr viel mit Kinderschutz zu tun. Es ist wichtig zu wissen: Wann wird es für mich gefährlich? Wie kann ich mich wehren und mir Hilfe holen? Die Grundlage dafür sind die Kinderrechte: Wenn Kinder ihre Rechte kennen, können sie sich auch im Internet viel besser positionieren. Sie müssen erkennen, wenn es zu einer Grenzverletzung kommt. Und das können sie nur dann, wenn sie auch ihre Rechte kenne: Dieses Verhalten ist okay – das aber nicht.
Das Besondere an diesem Projekt war, dass die Kinder und Jugendlichen mit kreativen Methoden an die Themen herangegangen sind. So wurde zum Beispiel von den Kindern und Jugendlichen ein „Chat-Check“ erstellt, der die wichtigsten Regeln für sicheres Chatten enthielt, T-Shirts mit Statements kreiert, ein Radiobeitrag wurde gemacht, über einen QR-Code wurden die wichtigsten Beratungsseiten und Hilfsangebote zusammengefügt und Filmeabende wurden organisiert. So vielschichtig das Thema Medien auch ist, so vielschichtig sind auch die Zugänge und Methoden, die Kinder und Jugendliche sich verschaffen. Partizipation verknüpft mit Aufklärung ist daher von grundlegender Bedeutung.
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