„Jugendämter in der Krise – folgenschwer für Kinder in Not“: So überschrieb die Deutsche Presse-Agentur (dpa) kürzlich einen Artikel, der bundesweit vielfach veröffentlicht wurde, so etwa in der Zeitschrift „Stern“. In dem Beitrag kam auch Landesvorsitzende des Kinderschutzbundes in NRW zu Wort. In Ergänzung dazu finden Sie hier Positionen der Ortsverbände Essen und Köln sowie des Landesverbandes als Dachorganisation. Darin finden die Sichtweisen der freien Träger besondere Berücksichtigung.
Die Fakten
Der Kinderschutz in Deutschland ist in Gefahr. Gefährdete Kinder erhalten nicht den Schutz, den sie dringend benötigen. Überlastete Jugendämter und fehlende Plätze für eine Inobhutnahme schutzbedürftiger Kinder führen dazu, dass Kinder zum Teil einer noch größeren Gefährdung ausgesetzt werden. Wie dramatisch die Situation in Deutschland ist, zeigt eine im Januar veröffentlichte Studie des WDR.
Obwohl der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vorliegt, müssen Kinder länger als ratsam bei ihren Familien leben. Dies haben fast 60 Prozent der Jugendämter in der Befragung angegeben. Darüber hinaus ist der Schutz der Kinder gefährdet, weil es in den Jugendämtern an Personal fehlt und die Mitarbeitenden daher für zu viele Kinder und Familien gleichzeitig verantwortlich sind.
Die Position aus Essen
Auch für Essen stellt der Kinderschutzbund fest, dass die Lage schutzbedürftiger Kinder immer prekärer wird. „Es gibt eine zunehmende Anzahl an Fällen von Kindeswohlgefährdung. Vor allem die dramatischen Fälle steigen deutlich an“, sagt Prof. Dr. Ulrich Spie, Vorstandsvorsitzender des Kinderschutzbundes Essen. „Daher ist es angesichts der sich verschärfenden Situation absolut fatal, dass die Zahl der Schutzplätze für gefährdete Kinder weder quantitativ noch qualitativ mitgewachsen ist. Außerdem werden juristische Verfahren immer komplexer und dadurch länger. Und nicht zuletzt fehlen schlicht Anschlussperspektiven für die Unterbringung der Kinder, die wir in unseren Notaufnahmen in Obhut nehmen.“
Die Position aus Köln
„Wichtig ist“, so Lars Hüttler, Geschäftsführer des Kinderschutzbund Köln, „dass die freie und die öffentliche Jugendhilfe zusammenarbeiten“. Um Kinderschutz sicherzustellen, müsse es eine Partnerschaft auf Augenhöhe geben. Dazu gehöre unausweichlich, dass die Kostensteigerungen von der öffentlichen Jugendhilfe getragen werden. „Die Zusammenarbeit auf fachlicher ebene klappt in den meisten Fällen gut, wo es hingegen immer wieder Schwierigkeiten gibt, sind die Finanzen“, so Hüttler weiter.
Die Position des Landesverbandes
Auch der Kinderschutzbund Landesverband NRW beobachtet mit großer Sorge die seit Jahren ansteigenden Fallzahlen.

Noch deutlicher angestiegen sind aber vor allem die eingeleiteten Verfahren zur Einschätzung von Kindeswohlgefährdungen, die einen großen Teil der Überlastungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe mit sich bringen. Diese Verfahren, die klären, ob es sich bei einem gemeldeten Fall um eine Kindeswohlgefährdung handelt oder nicht, sind ausgesprochen arbeits- und zeitintensiv sowie auch persönlich belastend.

In aktuellen Studien wird belegt, dass oftmals ein*e Mitarbeiter*in des Allgemeinen Sozialen Dienstes über 100 Einzelfälle zu bewerten hat, was deutlich die Arbeitszeit und die Arbeitsbelastung überschreitet. Die Folge sind dann u. U. weniger gelungene Gefährdungseinschätzungen und Dokumentationen oder gar Staus in der Bearbeitung.
Prof. Dr. Gaby Flösser, Landesvorsitzende des Kinderschutzbundes in NRW: „Die Lage der Unterbringungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen ist unübersichtlicher, weil diese nicht nur von der öffentlichen Jugendhilfe, sondern überwiegend von freien Trägern bereitgestellt werden. Wir können von unseren verbandsinternen Einrichtungen und Diensten sowie befreundeten Verbänden berichten, dass die Anzahl der Anfragen nach geeigneten Plätzen die vorhandenen deutlich übersteigt und es auch hier zu dramatischen Entscheidungen kommt. Ganz deutlich muss darauf hingewiesen, dass angesichts des Personal-, Fachkräfte- und Platzmangels die den Kindern und Jugendlichen zugesicherten Rechte auf Schutz, Förderung und Beteiligung nicht vollumfänglich gewährleistet werden können. Schließlich mangelt es ja nicht nur an Unterbringungsmöglichkeiten, auch die Kitas und Schulen haben oftmals keine Möglichkeiten, die Kinder und Jugendlichen aufzunehmen. Da mittlerweile die Suche nach freien Plätzen bundesweit geschieht, sind zudem Kontakte zur Herkunftsfamilie oder wohnortnahe Aktivitäten so gut wie ausgeschlossen. Permanente Beziehungsabbrüche durch eine hohe Fluktuation des Personals erschweren die pädagogische Arbeit darüber hinaus.
Wie könnte die Situation verbessert werden?
„Am dringlichsten sind zwei Dinge: der Ausbau öffentlicher Investitionen in den Kinderschutz mit dem Ziel, die Versorgung von in Not geratenen Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten. Hierbei dürfen die Kommunen nicht allein gelassen werden. Darüber hinaus: eine Fachkräfteoffensive, die wahrscheinlich aber nur dann erfolgreich sein wird, wenn die Arbeitsbedingungen und-belastungen kritisch unter die Lupe genommen werden“, betont Prof. Dr. Gaby Flösser, Landesvorsitzende des Kinderschutzbundes in NRW. „Veränderte und an die aktuelle Situation angepasste Personalbemessungsmodelle wären ein Schritt in die richtige Richtung.“